KOPIEREN UND STUDIEREN

Nachtstücke nach holländischen Meistern

COPYING AND STUDYING

Night Pieces after Dutch Masters

Neben der realen Natur waren Landschaften Alter Meister aus dem 17. Jahrhundert eine wichtige Inspirationsquelle für Pascha Weitsch. Sie wurden von fürstlichen und bürgerlichen Sammlern auch im 18. Jahrhundert sehr geschätzt und gesammelt. Daher stellten sie auch eine „Messlatte“ für lebende Meister dar. Der junge Weitsch studierte sie gründlich in der herzoglich braunschweigischen Galerie, die sich damals in Schloss Salzdahlum befand.

Einige frühe Arbeiten von Weitsch verraten, wie ambitioniert er sich mit den historischen Vorbildern auseinandersetzte. 1763 malte er zwei Nachtstücke, eine Mondscheinlandschaft und eine Darstellung eines nächtlichen Dorfes mit brennendem Haus. Sie gehen auf holländische Meister wie Aert van der Neer zurück. Eines seiner speziellen Motive waren Flusslandschaften bei Nacht. Die Herausforderung bestand in der Darstellung von Dunkelheit – in der alles seine Farbigkeit verliert und die Landschaft nur schemenhaft zu erkennen ist. Die Effekte des Mondlichtes und seine Spiegelungen im Wasser ließen sich aber durchaus mit dem Pinsel nachbilden.

In addition to nature, 17th-century Old Master landscapes were an important source of inspiration for Pascha Weitsch. Because these were still highly prized in the 18th century and much sought-after by princely and bourgeois collectors, they served as a kind of “yardstick” for living masters. The young Weitsch studied them closely in the picture gallery at Salzdahlum Palace, the summer ducal residence between Brunswick and Wolfenbüttel.

Some of Weitsch’s early works show just how ambitiously he engaged with the historical models. In 1763, he painted two night pieces, a moonlit landscape and a nocturnal village with a house on fire. They hark back to Dutch masters such as Aert van der Neer, who specialized in nocturnal river landscapes lit only by moon- and firelight. The challenge was to render darkness, which robs everything of its color and crisp daytime definition. However, the effects of moonlight and its reflections in the water could certainly be reproduced with the brush.

14 | Vorbild Mondscheinlandschaft

um 1650
Aert van der Neer
(Gorkum um 1603–1677 Amsterdam)

Öl auf Holz HAUM, Inv.-Nr. GG 361

Van der Neer war berühmt für geheimnisvolle Nachtlandschaften, die er in unzähligen Versionen malte. Er beherrschte die Kunst, Dunkelheit mit flottem Pinselstrich überzeugend hervorzurufen. Er malte v.a. für das holländische Bürgertum, im 18. Jahrhundert sammelten aber auch Fürsten seine Bilder.

ROLE MODEL Landscape by Moonlight
c. 1650
Aert van der Neer
(Gorinchem c. 1603 – 1677 Amsterdam)

Oil on panel HAUM, inv. no. GG 361

Van der Neer is celebrated for his mysterious nocturnal landscapes, which he painted in countless variations. He mastered the art of convincingly evoking darkness with brisk brushstrokes, and although he did not receive much attention in his own time, by the 18th century his work was highly sought after by bourgeois and aristocratic collectors alike.

12 | Mondscheinlandschaft

1763
Pascha Johann Friedrich Weitsch
(Hessendamm 1723–1803 Salzdahlum)

Öl auf Holz HAUM, Inv.-Nr. GG 626

Deutlich setzt sich Weitsch hier mit Aert van der Neer auseinander. Doch aus der reduzierten, stillen Atmosphäre des Holländers wird hier eine mit zahlreichen Motiven angereicherte Landschaft. Zum Mondlicht fügt er noch einen Stadt-Brand als besonderen Lichteffekt ein. Die wahrhaft dunkle Stimmung seines Vorbildes gelingt ihm aber noch nicht.

Landscape by Moonlight
1763
Pascha Johann Friedrich Weitsch
(Hessendamm 1723–1803 Salzdahlum)

Oil on panel HAUM, inv. no. GG 626

This painting attests to Weitsch’s engagement with the work of the Dutch painter Aert van der Neer. Weitsch transforms the pared-back, tranquil mood that is the hallmark of the Dutch painter by filling his landscape with a wealth of motifs, adding a burning city in the distance as a special effect to compete with the moonlight. However, the depth of darkness achieved by van der Neer still eludes him here.

13 | Nächtliches Dorf mit brennendem Bauernhaus

um 1763
Pascha Johann Friedrich Weitsch
(Hessendamm 1723–1803 Salzdahlum)

Öl auf Holz HAUM, Inv.-Nr. GG 882

Wahrscheinlich als Gegenstück zur Mondscheinlandschaft entstanden. Ähnliche Kompositionen kennt man vom holländischen Kleinmeister Egbert van der Poel (1621 – 1664). Weitsch muss in Salzdahlum oder Kassel ein Beispiel gesehen haben. In unserer Sammlung ist heute kein entsprechendes Gemälde mehr vorhanden.

Nocturnal Village with a Burning Cottage
c. 1763
Pascha Johann Friedrich Weitsch
(Hessendamm 1723–1803 Salzdahlum)

Oil on panel HAUM, inv. no. GG 882

Probably painted as a pendant to Landscape by Moonlight. Similar compositions are known from the minor Dutch master Egbert van der Poel (1621–1664). Weitsch must have seen an example in Salzdahlum or Kassel. There is no corresponding painting in our collection today.

Nächtliches Dorf mit brennendem Bauernhaus: Entdeckung einer früheren Bildkomposition

Inv.-Nr. GG 882, Infrarotaufnahme und Röntgenaufnahme mit nachgezeichneten Schiffsteilen

Die Untersuchungen an dem Holztafelgemälde Nächtliches Dorf mit brennendem Bauernhaus aus der Zeit um 1763 offenbarten eine andere Bildkomposition unter der sichtbaren Gemäldeoberfläche, die frühere Darstellung zeigt ein sogenanntes Seestück.

Die Infrarotaufnahme brachte im rechten unteren Bildbereich (s. Leuchtkasten links) ein Schiff mit gebrochenem Mast, sowie weitere Schiffsteile zum Vorschein.

Die Röntgenuntersuchung bestätigte diese Entdeckung nicht nur, sondern erweiterte sie auch, indem sie Wellen am unteren Bildrand offenbarte (s. Leuchtkasten rechts). Darüber hinaus wurde im Hintergrund des Dorfes, im linken Bildteil, ein Turm sichtbar, der entweder während des letzten Malprozesses vom Künstler übermalt wurde, oder eventuell auch zu einer ersten Bildkomposition gehörte, was sich leider heute nicht mehr eindeutig klären lässt.

Aufgrund der kunsttechnologischen Untersuchung ist davon auszugehen, dass Pascha Weitsch die Anlage des Seestücks selbst angefertigt und später verworfen und übermalt hat.

Der Fund gibt wertvolle, neue Hinweise auf die intensive Auseinandersetzung von Weitsch mit der holländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts. Der Autodidakt erlangte seine Kunstfertigkeit vor allem durch das Studium und das Kopieren der Alten Meister in der Salzdahlumer Gemäldegalerie. Die Untersuchung zeigt, dass er sich augenscheinlich in seinem Früh- werk dabei auch mit Seestücken beschäftigte, auch wenn dies in seinem heute erhaltenen Œuvre keinen Niederschlag mehr findet. Das Gemälde Nächtliches Dorf verbirgt unter seiner Oberfläche somit ein bislang unbekanntes Experimentierfeld des Künstlers.

Nocturnal Village with a Burning Cottage: Discovery of an Earlier Composition

inv. no. GG 882, infrared photograph and X-ray image with highlighted ship parts

The technical analysis of the panel painting Nocturnal Village with Burning Cottage of around 1763 revealed an earlier, different composition of a maritime painting or seascape beneath the visible paint surface.

Infrared imaging revealed a ship with a broken mast as well as other ship parts in the lower right section of the painting (see light box on the left).

X-ray examination not only confirmed this discovery, but also expanded on it by showing waves at the lower edge of the picture (see light box on the right). It also brought to light a tower in the background of the village, in the left part of the picture. Whether Weitsch overpainted it during the final stage of the painting process or whether it too belonged to an initial composition of the picture can unfortunately no longer be determined with any degree of certainty.

Based on the technical investigation, we can assume that Pascha Weitsch devised the composition of the seascape himself before abandoning and overpainting it later.

The discovery provides valuable new insights into Weitsch’s intense engagement with Dutch 17th-century landscape painting. The self-taught painter acquired his proficiency primarily through studying and copying the Old Masters in the Salzdahlum Picture Gallery. The investigation shows that in his early work he was evidently also interested in seascapes, although this is no longer reflected in his extant oeuvre. The glimpse beneath the paint surface of the Nocturnal Village thus reveals a hitherto unknown area of artistic experimentation in the artist’s work.